Es war nicht das gezielte Suchen nach einer Fensehsendung, nicht die Suche nach einer Biographie. Es war der Zufall, der wie so oft eine Rolle in unserem Leben spielt.
Ich war hängen geblieben, beim Umschalten, hängen geblieben bei einer Sendung die das Leben eines Nobelpreisträgers zum Thema hatte.
Er erzählte aus seiner Jugend, aus seiner Schulzeit am Akademischen Gymnasium in Wien, über sich als ein typisches k.u.k „Erzeugnis“. Mutter aus Galizien, Vater aus Mähren.
Ich hatte bis dahin nicht nur eine Vielzahl an Büchern über den Zweiten Weltkrieg gelesen, hatte Geschichte studiert und mich mit Umfragen über die Erlebnisse meiner Verwandten und Bekannten in der NS-Zeit auseinandergesetzt und so ein über den Durchschnitt hinaus gehendes Wissen über die Zeit von 1939 bis 1945 angesammelt. Alles war da, Wissen, Zusammenhänge, Zahlen über soundsoviele Millionen Tote, Juden, „Zigeuner“, Homosexuelle, Widerstandskämpfer usw.
Begriffen hatte ich es nicht, nicht einmal wirklich verstanden, denn es waren nur Zahlen.
Irgendwie aber schaffte es dieser - mir bis dahin unbekannte - Nobelpreisträger, Walter Kohl mit Namen, mir das Unfaßbare verständlich zu machen. Ich verstand über seine Erzählungen die Dimension des Verbrechens der NS-Zeit, der Verlust der Mutter und des Vaters, der Eltern und Verwandten, ließen mich erstmals klar werden was es bedeutete.
Ich konnte es plötzlich fühlen, konnte es verstehen.
Trotz dieses Verlustes war aber keine Wut, keine Aggression von ihm zu spüren, bloß die Trauer. Die Frage nach der Reparation, die beantwortete er in einer für mich unglaublich Art und Weise :“ Ich spreche nicht von Reparation für mich, ich schulde Österreich etwas. Ich habe etwa im Akademischen Gymnasium eine ausgezeichnete Erziehung gehabt. Aber meine Eltern wurden von hier verschleppt und in Auschwitz ermordet - das kann und soll man nicht reparieren.“
Meine Bemerkung dazu - sie wurden von Österreichern verschleppt und mit Hilfe unserer Großeltern ermordet. Auch dass kann und soll man nicht reparieren, aber auch nicht vergessen.
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